Wolfgang FunkenNeuer Text
Historische Richtstätten in der
Landeshauptstadt 1371-1803
Vor 650 Jahren wurde in Düsseldorf der erste
Galgen errichtet. Mehr als 400 Jahre lang
wurden auf den blutgetränkten Hügeln der
Richtplätze in Kaiserswerth, Golzheim,
Pempelfort und Derendorf Todesurteile und
Leibesstrafen vollstreckt.
Diese Galgenplätze sind heute im urbanen
Planraster gänzlich versunken und aus dem
Stadtbild wie aus der kollektiven Erinnerung
gleichermaßen verschwunden.
Trotzdem ist es gelungen, die schrecklichen Plätze
wieder aufzufinden und ihre genauen Standorte in
dieser Schrift erstmalig genau zu dokumentieren.
D
Das Buch ist nur über den Autor erhältlich. 116 Seiten, über 180 Abbildungen, historische Karten und Fotos
€ 26,00 + 2,00 € Porto. Erhältlich über die E-Mail-Adresse: funkengrafik@ish.de
Standortsuche
Durch transparente Überlagerung von historischen
Karten und modernen Stadtplänen war eine
Identifizierung der einstigen Standorte möglich
Mit Hilfe des Düsseldorfer Vermessungs- und Katasteramtes konnten versunkene Parzellierungen wieder sichtbar gemacht werden. Auch Meldungen in historischen Zeitungen halfen, die Standorte zu wieder aufzufinden.
Verborgene Spuren
Von einigen Zeugnissen wurde vermutet, dass sie sich bis in jüngste Zeit erhalten haben. Zum Teil konnten einige gefunden
werden, andere aber blieben verschollen. Insgesamt war die Quellenlage ausgesprochen spärlich.
Links: Die Entdeckung eines alten Gemäldes im Magazin
des Stadtmuseums ermöglichte es zum ersten Male, einen
Düsseldorfer Galgenplatz zu betrachten. Das Werk eines
unbekannten Meisters gehört zu den vielen kleinen Mosaik-
steinchen, die gesammelt werden mussten, um auf die
Spur der Düsseldorfer Galgenplätze zu kommen.
Nach der urteilsverkündung auf dem Marktplatz formierte sich der Henkerszug. Richter, Henker, Delinquenten, Geistliche,
Soldaten, Kinder und Henkersknechte bildeten eine spektakuläre Prozession, die, bis hin zu Abordnungen der Zünfte, die ganze Stadtgesellschaft wiederspiegelte. Der lange Weg führte aus dem Flingert Tor heraus über den Flinger Steinweg bis hin auf den Galgenplatz, wo schon eine unruhige Zuschauermenge wartete.
Der Weg war lang, vom Rathaus zum Schafott. Doch mehr als doppelt so lang war die Strecke des Henkerszugs ab 1774,
als man einen neuen Richtplatz auf dem Derendorfer Geistenberg installierte. Von der Wielandstraße aus richtete
man deshalb das »Galgengässchen« ein.
Leseprobe 1
»Das Galgengässchen verband die Flecken Pempelfort und Derendorf, (...). Damals begann es gleichfalls an derselben Stelle, lief aber dann durch die Schirmerstraße an niedrigen Häusern mit langen Dächern vorbei, quer durch die Gartenstraße und mündete in die jetzige Ehrenstraße. Hier kam es um seinen Namen, denn weite Felder und Wiesenstriche zogen sich bis zum ‘Alten Stockkämpchen’ und darüber hinaus bis zum St.-Anna-Kloster hin, woselbst die Düssel ungebärdig durch den ländlichen Klosterfrieden rauschte.
Eine große Furt hemmte den Weg, der zum Geestberg führte, dessen Ausläufer bis zur heutigen Nord- und Goebenstraße reichten. Auf diesem Berge reckte der Galgen dräuend und unheilverkündend sein furchtbar Gebälk gen Himmel, und das weithin sichtbare Kreuzbild stand dicht dabei. Endlos dehnten sich die sandigen Heiden. Und die Raben umstreiften unwirsch die ehrwürdige Richtstätte.
Kein Vogelsang ward hier vernommen, aber durch die rauschenden Wipfel der wenigen Pappeln ging das Raunen von Missetat und Reue.« Paul Kauhausen
Leseprobe 2
Die Exekutionen: Susanna Pop
Als Erste wurde Susanna auf das erhöhte Schafott geführt, die Frau des Martin Pop. Sie galt als die eigentliche Herrscherin im Siechenhause »am Aap« in Ratingen. Sie wurde »Die Schöne« genannt, und war bei Gericht in Ungnade gefallen, weil sie ein Verhältnis mit dem mitangeklagten »Heller Jan« zugegeben hatte, dem wirklichen Vater ihrer ehelichen Tochter. Diese Liäson hatte der Liebhaber dem Ehemann mit vorgehaltener Pistole abgetrotzt.31 Der Scharfrichter hob sein Richtschwert über der vor ihm knieenden Frau und schlug mit einem routinierten Streich ihren Kopf ab. Dann stellte er das abgeschlagene Haupt auf den Hauklotz und trieb einen monumentalen Eisennagel von der Mitte der Schädeldecke durch den gesamten abgetrennten Kopf.
Damit sollte der später auf der Nabe des Rades aufgespießt werden. Sodann wurden der leblose Körper und das abgetrennte Haupt als ein Zeichen der nunmehr abgeschlossenen Vernichtung der Täterin und als eine letzte Geste der Verachtung vom Schafott herunter geworfen, um die Bühne für den nächsten Schlag frei zu machen.
Heute zeigt die ehemalige Richtstätte von Derendorf unterschiedliche Gesichter. Es gibt heiteres Balkonwohnen, triste Moderflächen und im hinteren Bereich vereinzelte Fußgänger: Nach vorne raus, in der Ladenzeile ist das Leben am Ort bunt und prall, und man kann ganz sicher sein, dass niemand hier weiß, der Junkfood to go schlemmt, italienisches Eis genießt, Halal-Lebensmittel einkauft oder im Outdoor-Gebälk der Destille zecht, dass er sich auf einem historischen Galgenplatz befindet, der über 100 Jahre lang brachliegende Wildnis war, weil kein Mensch den verfluchten Ort nutzen wollte.